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AVIVA-BERLIN.de im Dezember 2024 - Beitrag vom 20.08.2008


13 Jahre Haft für brutalen Angriff auf Aylin K.
Andrea Petzenhammer

Mehmet K. hat seine Ex-Frau fast getötet, als er ihr aus Rache das Gesicht und den Körper zerschnitt. Das Gericht verhängte für die "Beziehungstat" am 14. August 2008 eine Haftstrafe von 13 Jahren.




Am 21. November 2007 hat Mehmet K. das Leben seiner ehemaligen Ehefrau zerstört. Er verletzte sie mit mehr als 20 Messerstichen lebensgefährlich, doch es gelang ihm nicht, sie zu töten. Zunächst wurde die Urteilsverkündung, die ursprünglich für den 31. Juli 2008 festgesetzt war, mehrfach verschoben. Nach der ersten Vertagung wegen Krankheit des Verteidigers musste das Gericht am 07. August 2008 noch über weitere sieben Hilfsanträge der Verteidigung entscheiden, die nach dem Plädoyer eingereicht wurden. Wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit schwerer Körperverletzung wurde Mehmet K. schließlich am 14. August 2008 zu einer Haftstrafe von 13 Jahren verurteilt. Die Richter sahen im Angriff keine Ehren- sondern eine Beziehungstat. Der Verteidiger will jetzt Revision gegen das Urteil einlegen. Er hatte auf maximal 6 Jahre wegen Totschlags plädiert.

Jahrelange Gewalt in einer arrangierten Ehe

Nach fast 15 Jahren voller Demütigungen und Gewaltexzessen reichte Aylin K. 2003 die Scheidung ein. Er hatte sie immer wieder geschlagen, Auslöser waren ihr Wunsch Deutsch zu lernen oder FreundInnen zu treffen. "Es geht wie in anderen Fällen, in denen die Täter Deutsche sind, um knallharte Machtansprüche der Männer gegenüber der Frau. Sonst nichts." sagt Aylin K.s Rechtsanwältin Brigitte Kiechle zu Beginn der Verhandlung gegen Mehmet K. dem Magazin Spiegel Online.

Er zerschnitt ihr das Gesicht, die Brust und die Arme

Aylin K ist furchtbar entstellt. Narben ziehen sich quer durch ihr Gesicht, ein Ohr fehlt. Die 36-jährige wurde im November 2007 in der gemeinsamen Arbeitsstelle, der Autobahnraststätte Baden-Baden, von ihrem Ex-Mann überrascht. Er sperrte sie in ein Zimmer und ging dann mit zwei Messern auf sie los. Er zerstach ihre Milz, zerschnitt ihr Gesicht und ihre Brustwarzen und ließ sie dann blutend liegen. Laut Zeuginnenaussagen von Mitarbeiterinnen der Tankstelle war Mehmet K. nach der Tat völlig ruhig und gelöst. Erst als er erfuhr, dass Aylin K. überlebt hatte, begann er zu toben.

Tradition und Familienehre als Tatmotiv dürfen nicht zur Strafmilderung führen

Terre des Femmes kritisierte den Umgang der Behörden mit der gefährlichen Situation. Diese reagierten mit einem Näherungsverbot für Mehmet K., als dieser nach dem Auszug seiner Frau aus der gemeinsamen Wohnung im Juni 2007 mit Mord drohte. Für die Bundesgeschäftsführerin Christa Stolle war das absolut unzureichend. Sie fordert, dass die Polizei die ihr zur Verfügung stehenden Maßnahmen bei Fällen von Stalking konsequent anwendet, bevor es zu einem gewalttätigen Übergriff kommt. Die Organisation hält außerdem eine bessere Vernetzung und härteres Durchgreifen der zuständigen Behörden bei Fällen häuslicher und ehrbezogener Gewalt für dringend notwendig.

Sprachhindernisse und Aufenthaltsbestimmungen setzen Migrantinnen unter Druck

Migrantinnen sind überdurchschnittlich häufig von körperlicher und sexueller Gewalt in der Familie betroffen. Mangelnde Sprachkenntnisse, Druck aus der Verwandtschaft und die Angst um die Aufenthaltsgenehmigung lassen die Frauen erst in äußerst extremen Fällen handeln. Auch dann können sie sich oft nur an die Polizei wenden, weil ihnen innerhalb ihres familiären Umfelds nicht geholfen wird.

"Er wird wieder versuchen, mich zu töten"

Aylin K. hat überlebt, aber der Albtraum wird für sie nicht zu Ende gehen. Noch immer hat sie Operationen vor sich und genauso sichtbar wie die Narben ihres Gesichts werden sie auch die psychischen Folgen ein Leben lang begleiten. Angst hat sie vor allem vor einem: Sollte Mehmet K. entlassen werden, wird er versuchen, seine Rache zu Ende zu bringen. Trotz ihrer Angst versucht Aylin K., Opfern häuslicher Gewalt Mut zu machen und sich zu wehren. Sie engagiert sich in Organisationen wie Terre des Femmes und erzählt in Schulen ihre Geschichte.

Terre des Femmes ist eine gemeinnützige Menschenrechtsorganisation für Frauen und Mädchen, die durch Aktionen, Öffentlichkeitsarbeit, Einzelfallhilfe, Förderung von Projekten und internationale Vernetzung von Gewalt betroffene Frauen unterstützt. Schwerpunktthemen sind Häusliche Gewalt, Zwangsheirat und Ehrverbrechen, weibliche Genitalverstümmelung, Frauenhandel und Zwangsprostitution. Terre des Femmes hatte gefordert, dass Tatmotive wie Tradition und Familienehre nicht zur Strafmilderung führen dürfen und auf eine lebenslange Freiheitsstrafe für Mehmet K. gehofft.

Quellen:

www.frauenrechte.de
www.spiegel.de
www.spiegel.de
www.bmfsfj.de
www.bmfsfj.de

Weitere Informationen

Bundesweiter Koordinierungskreis gegen Frauenhandel und Gewalt an Frauen im Migrationsprozess: www.kok-buero.de

Information zu Gewalt gegen Migrantinnen und Flüchtlingsfrauen
www.autonome-frauenhaueser-zif.de

Hilfe für betroffene Frauen:

Frauenhaussuche beim "Verein Frauenhauskoordinierung": www.frauenhauskoordinierung.de

Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe: www.bv-fgg.de


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Beitrag vom 20.08.2008

AVIVA-Redaktion